Beckenbodentraining

Voraussetzung: passiv weit gespannter Beckenboden

Eine Voraussetzung zur guten Stärkung des Beckenbodens wird meist vergessen: Der Beckenboden muss unbedingt immer auch alltäglich passiv weit gespannt sein - sonst wird er durch aktives Beckenbodentraining auch verkürzt und zieht die Schambeinäste zwischen denen er wie ein Trommelfell ausgespannt ist enger zusammen, was zu allerlei Beschwerden führen kann (engere Verhältnisse für Enddarm, Harnröhre und Scheide).

 

Wie erreicht man eine passive Spannung im Beckenboden und damit weite anatomische Verhältnisse, die erst ein gutes aktives Beckenbodentraining ermöglichen? Durch eine "gute" Sitzhaltung!

 

Setzen Sie die Füsse (am besten barfuss und gut gegen den Boden geöffnet) etwas auseinander auf den Boden, parallel zueinander (d.h. Fussspitzen leicht gegen innen). So fallen die Knie nach innen - und so gehen die Sitzbeine und die Schambeinäste auseinander - das Becken bekommt unten und hinten mehr Platz, der Beckenboden wird passiv gespannt - das Becken ist eine entspannte Schüssel mit flachem Boden. Nehmen Sie das Gesäss nach hinten, so dass Sie vor Ihre Sitzbeinhöcker zum sitzen kommen. Man hat ein leichtes und lockeres Hohlkreuz (ev. kleines Kissen dort hinein), das Gewicht des ganzen Oberkörpers kann in das Becken abgegeben werden. Der hinterste Teil des Beckenbodens, der IschioCoccygeus-Muskel zwischen Steissbein und Sitzbeinhöcker ist dabei völlig entspannt und bleibt es auch während all den untenstehenden Übungen!

 

Das Brustbein schwebt hoch und vorne (nicht hochziehen) und die Schultern hängen frei (und sind nicht nach hinten gezogen). Der Kopf sitzt locker und frei wie eine Boje oben auf der Mittelachse der Halswirbelsäule (geht durchs Ohrloch). Diese Sitzhaltung können Sie so oft einnehmen, wie es geht.

 

Aktives Beckenbodentraining

Der Muskel, den Sie zusammenziehen, um den Urinfluss zurückzuhalten, ist der PCMuskel (M. Pubococcygeus). Halten Sie Ihren Urin einige Male zurück, um sich mit diesem Muskel vertraut zu machen. Dann legen Sie sich hin, stecken Ihren Finger in die Scheidenöffnung und ziehen den PC-Muskel zusammen, Versuchen Sie, die Kontraktionen um Ihren Finger herum zu spüren. Achten Sie darauf, dass Sie dabei nicht Ihre Hüften, den Bauch (ausser den tiefsten, den Transversus abdominisMuskel, der immer zusammen mit dem PC-Muskel arbeitet), das Gesäss oder andere Muskeln im Beckenbereich anspannen.

 

Nachdem Sie die folgenden Übungen etwa sechs Wochen lang regelmässig durchgeführt haben, prüfen Sie, ob Sie irgendeinen Unterschied in der Stärke Ihres PC-Muskels wahrnehmen können, wenn Sie einen Finger in die Vagina stecken und den Muskel zusammenziehen.

Männer können versuchen ihren Penis sehr sanft in das Becken hineinzuziehen - und wieder loszulassen. Auch hier darauf achten, dass dabei nicht die Hüften, den Bauch. das Gesäss oder andere Muskeln im Beckenbereich gespannt werden.

 

Zusammenziehen und Loslassen

Die erste Kegel-Übung besteht darin, den PC-Muskel drei Sekunden lang zusammenzuziehen, ihn drei Sekunden lang zu entspannen und dann wieder zusammenzuziehen. Sollte es Ihnen schwerfallen, die Anspannung über drei Sekunden aufrechtzuerhalten, dann ziehen Sie den Muskel zunächst einmal ein oder zwei Sekunden lang an und halten die Spannung länger, wenn der Muskel allmählich stärker wird. Dieses Zusammenziehen und Loslassen sollte dreimal täglich jeweils zehnmal durchgeführt werden.

 

Zusammenziehen und Loslassen in rascher Folge

Die zweite Übung ist ähnlich wie die erste, aber anstatt den Muskel drei Sekunden lang anzuspannen, geht es hier darum, ihn so schnell wie möglich zusammenzuziehen und wieder loszulassen und wieder zusammenzuziehen. Auch diese Übung sollte dreimal am Tag jeweils zehnmal durchgeführt werden.

Wenn Sie diese Übung das erste Mal machen, könnte es Ihnen vorkommen, als ob Sie sich an einem Zungenbrecher versuchten. Sie werden nicht unterscheiden können, ob Sie den Muskel gerade zusammenziehen oder loslassen, und eine Zeitlang mag alles durcheinandergehen. Fangen Sie auf jeden Fall langsam an. Durch mehr Übung werden Sie allmählich ]In der Lage sein, schneller zwischen Anhalten und Loslassen der Spannung zu wechseln.

 

Die Aufzugübung

Stellen Sie sich vor, dass Ihre Vagina ein Aufzug ist und dass sich der Fahrstuhl an der vaginalen Öffnung befindet. Es kommt weniger darauf an, die Muskeln zusammenzuziehen, als sie vielmehr so anzuspannen. als ob Sie den Fahrstuhl langsam den vaginalen Kanal hochzögen, wobei Sie an der Vaginalöffnung beginnen und am Uterus enden. Nach den drei oder vier Sekunden, die Sie brauchen. um durch die ganze Vagina zu gehen, entspannen Sie die Muskeln ebenso langsam, als ob Sie den Fahrstuhl wieder zum Erdgeschoss hinunterlassen, und dann beginnen Sie erneut, ihn von der vaginalen Öffnung aus hochzuziehen. Führen Sie dreimal am Tag zehn Folgen dieser Übung durch. Diese Übung stärkt nicht nur den PC-Muskel, sondern auch die Muskeln des Uterus.

Der Vorteil dieser ersten drei Kegel-Übungen ist, dass Sie sie überall und zu jeder Zeit durchführen können, ohne dass jemand es bemerkt. Machen Sie diese Übungen, wenn Sie bei Rot an der Ampel halten, oder morgens, wenn Sie aufwachen, wenn Sie zu Hause oder am Arbeitsplatz telefonieren oder sich eine Weile hinlegen, um sich auszuruhen. Die Muskeln. die den After umgeben, können sich während dieser Übungen mitbewegen, aber wenn Sie feststellen, dass sich Ihre Hüft-. Bauch- (ausser den tiefsten Bauchmuskel M.Transversus) oder Gesässmuskeln bewegen, ziehen Sie wahrscheinlich den falschen Muskel zusammen.

 

Die Pressübung

Diese vierte Übung ist auch für einen Beobachter sichtbar, also führen Sie sie besser allein durch. Sie besteht darin, etwas auszustossen wie bei der Ausscheidung von Exkrementen, aber mehr im vaginalen als im analen Bereich. Stellen Sie sich einen Tampon tief in Ihrer Vagina vor und drücken Sie, als wollten Sie ihn hinauspressen. Wie bei der Aufzugübung sollte diese Ausstossbewegung drei oder vier Sekunden lang angehalten werden.

Jede dieser vier Übungen sollte anfangs täglich zehnmal zu drei verschiedenen Zeiten durchgeführt werden. In dem Masse, wie Sie Fortschritte mit den Kegel- Übungen machen, steigern Sie die Anzahl der einzelnen Übungsfolgen, bis Sie in der Lage sind, jede von ihnen zwanzigmal hintereinander durchzuführen. Sie können diese Übungen tagsüber so oft machen, wie Sie Zeit haben, mindestens jedoch dreimal.

 

Einige Frauen zögern, sich auf Kegel-Übungen einzulassen, weil es sie sexuell erregt, wenn sie den PC-Muskel zusammenziehen. Selbst wenn das von den Übungen ablenken mag, ist es doch eine ganz normale Reaktion. Die Muskelspannung, die durch die Übungen hervorgerufen wird, veranlasst das Blut, in den Beckenbereich zu fliessen. Es kommt also zu demselben physischen Prozess wie bei der sexuellen Stimulation. Wenn dies geschieht, machen Sie sich keine Sorgen. Geniessen Sie es.

 

Andere Frauen hören mit den Kegel-Übungen auf, weil Sie sie ermüdend finden. Wenn auch Sie diese Erfahrung machen, spannen Sie wahrscheinlich eher Ihre Unterleibs-, Gesäss- oder Oberschenkelmuskeln an, als Ihren PC-Muskel zu üben. In diesem Fall fangen Sie noch einmal damit an, Ihren Urin zurückzuhalten, ohne die Unterleibsmuskeln, das Gesäss oder die Schenkel anzuspannen. Auf diese Weise werden Sie schnell unterscheiden lernen, welches der richtige Muskel ist. Wenn Sie diese Übungen wie beschrieben ausführen, anfangs aber dabei im Beckenbereich eine unangenehme Spannung verspüren, dann verringern Sie die Anzahl der täglichen Übungssequenzen, aber geben Sie die Übungen nicht ganz auf. Jeder Muskel, der zum ersten Mal geübt wird, fühlt sich anfangs etwas steif an. Auf jeden Fall ist es wichtig, diesen Muskel wie andere Muskeln Ihres Körpers auch in Bewegung zu halten. Die Kegel-Übungen sollten Ihnen ebenso zur täglichen Gewohnheit werden wie das Zähneputzen.

 

Beckenboden-Training / Übungen zum Ausprobieren

Es gibt verschiedene Stellungen, die Ihnen helfen, Ihre Beckenbodenmuskulatur zu trainieren. Wählen Sie einfach die Stellung, in der Sie die Beckenbodenmuskeln am besten anspannen können, ohne andere Muskeln zu nutzen. Am besten machen Sie die Übungen drei Mal täglich. Dabei gilt generell: 10 Wiederholungen, Anspannungsdauer 6 bis 8 Sekunden, bei jedem Anspannen ausatmen!

 

  • Vorübung: Kneifen Sie den Schließmuskel Ihrer Harnröhre zusammen, so als ob Sie beim Harnlassen den Wasserstrahl willkürlich unterbrechen möchten. Sie müssten nun spüren, wie sich die Muskeln nach oben und nach innen heben. Wichtig: Bei jedem Anspannen der Beckenbodenmuskulatur ausatmen! Unbedingt vermeiden: Atem anhalten sowie Mitanspannen von Gesäß-, Bauch- und den Muskeln an der Innenseite der Oberschenkel. Konzentrieren Sie sich auf den Beckenboden.
  • Übung 1: Im Stehen: Aufrecht stehen, Beine leicht etwa schulterbreit auseinander gestellt, Hände auf Gesäß. Beckenbodenmuskeln noch oben und innen ziehen. Die Hände kontrollieren, dass Sie nicht die Gesäßmuskulatur nutzen. Zur Erinnerung: Bei allen Beckenbodenübungen soll das Mitanspannen von Gesäß-, Bauchmuskeln und den Muskeln an der Innenseite der Oberschenkel vermieden werden. Bei jedem Anspannen der Beckenbodenmuskulatur ausatmen!
  • Übung 2: Im Stehen: Oberkörper leicht nach vorne geneigt, Beine leicht durchgebeugt und etwa schulterbreit gespreizt. Stützen Sie sich mit den Händen auf die Oberschenkel, dabei sollte der Rücken gerade bleiben. Ziehen Sie die Beckenbodenmuskeln nach oben und innen.
  • Übung 3: Zwei Finger ein Stück weit in die Scheide einführen und aufspreizen. Durch Anspannen der Muskulatur werden die Finger wieder aneinander gedrückt. Diese Übung empfiehlt sich nicht unbedingt zu Beginn des Wochenbetts!
  • Übung 4: Liegend: Entspannt auf den Bauch legen, dabei ein Bein anwinkeln. Nun die Muskeln des Beckenbodens anspannen (nach oben und innen), etwa acht Sekunden halten, dabei ausatmen!
  • Übung 5: Liegend: Rückenlage einnehmen, Beine anwinkeln und Füße schulterbreit auseinander aufstellen. Tief einatmen. Hohlkreuz bilden und Gesäß anspannen. Dabei ausatmen und die Region des Afters, des Scheideneingangs und der Harnröhre zusammenziehen und schließen. Diese Spannung kurz halten. Zur Überprüfung, dass nicht auch Gesäßmuskeln, Bauchmuskeln oder den Muskeln an der Innenseite der Oberschenkel mit anspannen: Legen Sie sich auf den Rücken, Beine aufgestellt und gespreizt. Eine Kontrollhand auf die Gesäßbacke, die andere auf die Bauchdecke.
  • Übung 6: Liegend: Rückenlage einnehmen, Beine ausstrecken und überkreuzen, weiter wie bei Übung 5.
  • Übung 7: Liegend: Rückenlage, Füße aufstellen, Rücken und Gesäß vom Boden abheben und in der Höhe mit kleinen Bewegungen heben und senken. Das Gesäß berührt dabei nicht den Boden.
  • Übung 8: Breitbeinig hinknien, dabei Fußspitzen zusammen; breit auf die Ellbogen stützen, Stirn auf die Handflächen. Nun ziehen Sie die Beckenbodenmuskeln nach oben und innen.
  • Übung 9: Im Sitzen: Schneidersitz und dabei Rücken schön gerade halten. Jetzt die Beckenbodenmuskeln noch oben und innen heben. Tipp: Sie spüren Ihren Beckenboden besser, wenn Sie auf ein weiches Kissen als Unterlage verzichten.
  • Übung 10: Im Sitzen auf einem Stuhl: Machen Sie Ihren Rücken rund und spannen sie die Muskeln rund um den After an, so als wollten Sie den After nach innen ziehen. Halten Sie die Spannung, atmen Sie aus und zählen Sie langsam bis 10 (Fortgeschrittene bis 15). Dann die Muskeln um den After entspannen. Die Übung dreimal am Tag etwa 10 Mal wiederholen. Ein Tipp: Achten Sie darauf, dass die Bauch- und Pomuskeln bei der Übung locker bleiben.
  • Übung 11: Im Sitzen auf einem Stuhl: Kippen Sie Ihr Becken nach vorne und zwar so, dass ein Hohlkreuz entsteht. In dieser Position spannen Sie die Muskeln rund um die Harnröhre – und bei Frauen rund um die Scheide – an. Beim Ausatmen wieder bis 10 bzw. 15 zählen, dann entspannen. Dreimal täglich etwa 10 Mal wiederholen. Auch bei dieser Übung wirken Bauch- und Pomuskeln nicht mit!
  • Übung 12: Kräftigend: In Rückenlage, Füße aufstellen. Legen Sie unter das Becken ein Handtuch oder Thera-Band. Halten Sie das Tuch oder Band mit beiden Händen. Heben Sie dann das Becken an und ziehen Sie das Handtuch oder Thera-Band unter dem Becken auseinander. Spannen Sie dabei die Beckenbodenmuskeln kräftig an und ziehen Sie sie nach innen. Die Spannung 6 bis 10 Sekunden halten, dann entspannen und das Becken ablegen. Ruhig nachspüren und nachatmen. Die Übung vier bis sechs Mal wiederholen. Die Übung wird noch effektiver, wenn Sie während der Anspannung die Zehen hoch ziehen und die Fersen in den Boden drücken.
  • Übung 13: Richtiges Heben: Stellen Sie sich mit den Füßen etwa schulterbreit vor einen Gegenstand, einen Karton, Wasserkasten oder Ähnliches. Konzentrieren Sie sich und spannen Sie die Beckenbodenmuskulatur an. Beim Bücken in die Knie gehen und das Gewicht immer mit gespreizten Beinen hochstemmen (wie es die Gewichtheber tun!). Beim Heben Drehbewegungen mit dem Oberkörper unbedingt vermeiden. Den Gegenstand immer möglichst nahe an den Körper heranbringen (auch dann beim Halten). Spannung kontrollieren. Im Gegensatz zu dieser Art des Hebens kann ein vornüber gebeugtes Heben, wie zum Beispiel einer Kiste ais dem Kofferraum, zu Wirbelsäulenproblemen führen. Der After sollte zusammengekniffen werden, so dass sich die After-Öffnung nach innen zieht - so, als müsste man den Kot zurückhalten. Dabei wird der Beckenboden bewegt. Genauso ist es, wenn man versucht, den Urin zurückzuhalten. Auch dabei wird der Beckenboden bewegt und man kann diesen bewusst erleben. So entsteht ein Bewusstsein für die Muskulatur. Diese Übung kann in allen Positionen durchgeführt werden - im Stehen, Liegen und Sitzen.
  • Übung 14: Aktives Sitzen: Diese Übung ist für alle, die viel sitzen und dies tendenziell mit rundem Rücken praktizieren. Und so sollte es sein: Aufrecht auf der vorderen Hälfte der Sitzfläche sitzen, die Beine etwa hüftbreit auseinander, die Hände liegen auf den Oberschenkeln. Nun das Becken nach hinten kippen, so als ob man sich anlehnen wollte. Dabei verlieren die Sitzhöcker Kontakt mit dem Stuhl und man sitzt auf den Pobacken. Jetzt ins Hohlkreuz gehen, indem das Becken nach vorne gekippt wird. Wieder geht der Kontakt verloren – diesmal sitzt man auf den Oberschenkeln. Jetzt sollte die Position in der Mitte der beiden Extreme gefunden werden. Ein gedachter Faden, der an der hinteren Hälfte des Scheitels befestigt ist, zieht sanft nach oben und streckt den Oberkörper. Der Rücken wird ganz lang. Wie eine Sonnenblume hat man gut verankerte Wurzeln und strebt gleichzeitig der Sonne entgegen. Nun den Oberkörper in alle Richtungen wiegen, so als würde die Sonnenblume vom Wind bewegt.